Soll die Ehe geschieden werden, kann es den Beteiligten oftmals nicht schnell genug gehen. In rechtlicher Hinsicht lassen sich jedoch drei Phasen unterscheiden: die Zeit der ehelichen Lebensgemeinschaft, die Zeit des Getrenntlebens und die Zeit nach der Scheidung.
Dieser Beitrag nimmt diese zeitliche Abfolge genauer unter die Lupe und zeigt, in welchen Zeitabschnitten ein Scheidungsverfahren beschleunigt werden kann. Was im Volksmund als Blitzscheidung bezeichnet wird, nennen Juristen eine Härtefallscheidung. Sie stellt den gesetzlich vorgesehenen Ausnahmefall dar und unterliegt besonderen rechtlichen Voraussetzungen. Als Kanzlei für Familienrecht klären wir auf!
Inhaltsverzeichnis
- Überblick über das Scheidungsrecht
- Aufhebung der Ehe statt Scheidung
- Vorzeitige Scheidung im Härtefall
- Praxisbeispiele der Härtefallscheidung
- Keine Scheidung im Härtefall
- Fazit – Scheidungsanwalt in Köln
Über die Scheidung entscheidet das Familiengericht durch Beschluss. So schreibt es § 116 FamFG fest. Ehescheidung bedeutet demzufolge die Auflösung der Ehe mit Wirkung für die Zukunft durch einen gerichtlichen Beschluss.
Geschieden sind die Ehegatten also erst, sobald dieser Beschluss des Familiengerichts rechtskräftig geworden ist.
PRAXISTIPP → Das Scheidungsverfahren kann sich über einen längeren Zeitraum abspielen. Aus diesem Grund wurden in der Vergangenheit oftmals Stimmen laut, die nach einem verkürzten Scheidungsverfahren verlangten. Allerdings konnte sich diese Forderungen nach einer „Scheidung light“ bisher nicht durchsetzen. Bisher gibt es keine Alternative im Sinne einer außergerichtlichen Scheidung.
Es gibt allerdings auch andere Situationen, die die Auflösung der Ehe begründen können. Zu denken ist in diesem Zusammenhang etwa an die Aufhebung bzw. Annullierung der Ehe oder aber der Auflösung durch den Tod eines Ehegatten.
Auch die Aufhebung der Ehe erfolgt durch eine gerichtliche Entscheidung. Insoweit ist dieses Verfahren mit der Scheidung vergleichbar. Denn auch hier ist das Familiengericht zuständig. Eingeleitet wird das Aufhebungsverfahren durch Einreichung eines entsprechenden Antrags.
Entscheidender Unterschied zum Scheidungsverfahren ist, dass es nicht auf die Zerrüttung der Ehe ankommt. Denn der Aufhebung der Ehe liegt im Gegensatz zur Ehescheidung nicht das Zerrüttungsprinzip zu Grunde. Ausschlaggebend für die Eheaufhebung ist alleine das Vorliegen eines sogenannten Aufhebungsgrundes, den das Gesetz in § 1314 BGB vorgibt.
Eheaufhebungsgründe liegen vor allem dann vor, wenn zwingende gesetzliche Vorschriften zur Eheschließung missachtet wurden:
- fehlende Ehemündigkeit
- Geschäftsunfähigkeit
- Verwandtschaft
- Scheinehe
- Doppelehe etc.
PRAXISTIPP → Die Rechtsfolgen der Aufhebung bzw. Annullierung der Ehe entsprechen im Wesentlichen dem Scheidungsrecht. Erst im Detail wird nach der Schutzwürdigkeit der Ehegatten unterscheiden. So soll etwa der Bigamist keinen Unterhalt beziehen dürfen, wohl aber die hintergangene Ehefrau.
Ein Antrag auf Eheaufhebung ist grundsätzlich unbefristet möglich. Nur ausnahmsweise, nämlich in Fällen von Drohung, Irrtums oder Täuschung schreibt das Gesetz vor, dass der Betroffene sich innerhalb eines Jahres dazu entscheiden soll, rechtliche Konsequenzen einzuleiten oder nicht. Um den Fortbestand der Ehe nicht allzu lange in einem Schwebezustand zu belassen, beginnt die Jahresfrist mit Kenntnis der Täuschung oder des Irrtums.
Bestimmend für das Scheidungsrecht ist das sogenannte Zerrüttungsprinzip. Diese zentrale Voraussetzung der Ehescheidung dient dem Nachweis, dass die Ehe tatsächlich gescheitert ist.
Ob die Ehe tatsächlich zerrüttet ist oder nicht, kann in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten mit sich bringen. Daher legt das Gesetz fest, dass die Ehe dann gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und beide Ehegatten die Scheidung beantragen bzw. der Antragsgegner der Scheidung zustimmt. Auf dieser Zerrüttungsvermutung beruht das praktische Erfordernis des Trennungsjahres.
Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht ausnahmslos. Das sogenannte Zerrüttungsprinzip kommt dann nicht zum Tragen, wenn eine Härtefallscheidung gegeben ist. Leben die Ehegatten noch kein Jahr in Trennung, so kommt die Scheidung nur dann in Frage, wenn die Fortführung der Ehe mit einer unzumutbaren Härte verbunden ist. Der Umstand, der diese Härte begründet, muss mit der Person des anderen Ehegatten zusammenhängen. Gründe also, die beide Ehepartner gleichermaßen treffen, genügen nicht zu einer Härtefallscheidung.
PRAXISTIPP → Die geforderte Unzumutbarkeit muss sich auf die Fortführung der Ehe als solche beziehen. Der Umstand alleine, dass das weitere Zusammenleben unerträglich für einen der Ehegatten wird, ist nicht ausreichend. Nach Ansicht der Rechtsprechung kann sich der betroffene Teil hiervor bereits durch eine räumliche Trennung schützen.
Im Folgenden sollen einige Beispiele aus der Rechtsprechung der Familiengerichte aufgezeigt werden, die zur Bejahung oder Ablehnung einer Härtefallscheidung geführt haben.
Beispiele für die Annahme einer Härtefallscheidung:
- Der Ehemann wohnt bereits mit seiner neuen Partnerin im gemeinsamen Ehehaus
- Morddrohungen des Ehemannes in Verbindung mit öffentlicher Bloßstellung
- Mehrfache schwere körperliche Misshandlungen des anderen Ehegatten
- Schwangerschaft der Frau von einem Dritten, da der Scheidungsantrag des Mannes so einer Vaterschaftsanfechtung zuvorkommen kann
Beispiele für die Ablehnung einer Härtefallscheidung:
- Nichtzahlung von Unterhalt
- Offenbarte Homosexualität eines Ehepartners ohne Hinzutreten besonderer Umstände
- Schwangerschaft der Frau mit dem Kind eines Dritten gibt der Frau kein Scheidungsrecht, da sie für diesen Umstand alleine verantwortlich ist
Neben der Härtefallscheidung ist ein anderer Themenbereich zu untersuchen, der eine Scheidung gerade dann verbietet, wenn ein Härtefall gegeben ist. Es sind beispielsweise Fälle denkbar, in denen die Ehe zwar gescheitert ist, aber dennoch ein rechtlich schützenswertes Interesse an dem Fortbestand der Ehe gegeben ist.
Die Aufrechterhaltung einer zerrütteten Ehe kann insbesondere zum Schutze der Kindesinteressen geboten sein. Die Härteklausel des § 1568 BGB veranlasst das Gericht von Amts wegen zu überprüfen, ob die Scheidung mit den Kindesinteressen in Konflikt steht. Denn auch eine einvernehmliche Scheidung kann das Kindeswohl stark beeinflussen. Zwar ist nahezu jede Scheidung mit Belastungen für die gemeinsamen Kinder verbunden. Allerdings kann es auch Situationen geben, in denen die Scheidung das Kindeswohl insgesamt erheblich verschlechtern kann.
PRAXISTIPP → Hat das Kind eine besonders intensive Bindung zu beiden Elternteilen, die durch die Scheidung höchst bedroht sein könnte, kann hierin ein Härtefall gesehen werden. Auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kindes sind im Blick zu behalten. Ist damit zu rechnen, dass der Vater seine Unterhaltszahlungen einstellt oder gar untertaucht, können diese Umstände ebenfalls gegen eine Scheidung sprechen.
Neben den Kindesinteressen sind auch Härtefallsituationen für den anderen Ehegatten denkbar. In Bezug auf die Interessen des Ehegatten wird die Härtefallklausel jedoch nur sehr zurückhaltend angewandt. Im Übrigen muss ein Ehegatte, der sich gegen die Scheidung weigert, nach dreijähriger Trennungszeit die Scheidung grundsätzlich hinnehmen.
Eine Blitzscheidung – oder in der Gesetzsprache eine Härtefallscheidung – ist nicht einfach zu begründen. Eine Scheidung ohne Trennungsjahr stellt die gesetzliche Ausnahme dar. Dementsprechend zurückhaltend ist auch die Praxis der Familiengerichte. Wenn Sie sich selbst in einer erdrückenden Situationen unbilliger Härte wiederfinden, sollten Sie umgehend einen Anwalt und Experten im Familienrecht aufsuchen. So ist eine objektive Bewertung der Gesamtsituation gewährleistet. Je nach Einzelfall kann dann eine Härtefallscheidung beantragt werden. Aber auch in Situationen, in denen eine Blitzscheidung nicht in Frage kommt, lassen sich oftmals adäquate Lösungen entwickeln. Nehmen Sie jederzeit Kontakt zu uns auf!