Arbeitsrecht: Abfindung und Arbeitslosengeld?

Dieser Beitrag gibt einen Überblick über den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Außerdem beleuchten wir die zwei wichtigsten Fallkonstellationen, in denen die Auszahlung einer Abfindung Einfluss auf den Anspruch auf ALG I hat.
unterhalt

Grundsätzlich hat eine Abfindung keine Auswirkungen auf das Arbeitslosengeld. Allerdings gibt es von dieser Grundregel auch wichtige Ausnahmen. Denn der Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld I (ALG I) kann unter bestimmten Voraussetzungen ruhen.

Dieser Beitrag gibt einen Überblick über den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Außerdem beleuchten wir die zwei wichtigsten Fallkonstellationen, in denen die Auszahlung einer Abfindung Einfluss auf den Anspruch auf ALG I hat.

 

Inhaltsverzeichnis

  1. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld
  2. Abfindung bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses
  3. Sperrzeit beim Arbeitslosengeld
  4. Wichtige Gründe gegen eine Sperrzeit
  5. Verkürzung der Sperrzeit
  6. Fazit – Verkürzung der Sperrzeit

 

1. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld

Das Arbeitslosengeld I ist keine staatliche Sozialleistung im engeren Sinne. Es handelt sich hierbei vielmehr um eine Versicherungsleistung. Im Gegensatz zum Arbeitslosengeld II greift hier die Arbeitslosenversicherung, die man sich während der Erwerbstätigkeit erarbeitet hat.

Wer also arbeitslos wird und während seiner sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt und die sogenannten Anwartschaftszeiten erfüllt hat, kann Arbeitslosengeld I beziehen. Was Juristen als Anwartschaftszeiten bezeichnen meint, dass innerhalb der vergangenen zwei Jahre vor der Arbeitslosigkeit mindestens 12 Monate lang in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt werden musste. Je nach Einzelfall beeinflusst die Anwartschaftszeit auch den Zeitraum, über den ALG I bezogen werden kann.

Arbeitslosengeld II (ALG II) wird demgegenüber erst dann gewährt, wenn der Arbeitslose keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I hat. Seit der Zusammenfassung der früheren Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe durch die Hartz-IV-Gesetze, ist das Arbeitslosengeld II umgangssprachlich auch als „Hartz IV“ bekannt geworden. Hierbei handelt es sich um eine Grundsicherungsleistung deren Gesetzesgrundlage sich im Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches befindet.

PRAXISTIPP Das Jobcenter KÖLN stellt Arbeitssuchenden umfangreiche Informationen zur Verfügung. Neben besonderen Projekten zur beruflichen Integration ist das Jobcenter der zentrale Ansprechpartner für Leistungen zum Lebensunterhalt.

Wer voll erwerbstätig ist kann unter bestimmten Voraussetzungen zusätzlich Hartz IV beantragen. Denn die Erwerbstätigkeit schließt den Anspruch auf Arbeitslosengeld II prinzipiell nicht gänzlich aus. ALG II kann auch zusätzlich zum Einkommen bezogen werden, wenn das Einkommen so gering ist, dass die Sicherung der Grundbedürfnisse nicht gewährleistet ist.

 

2. Abfindung bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Wenn das Arbeitsverhältnis beendet wird, ohne dass sich ein neuer Job nahtlos anschließt, gewinnt die Sicherung des Lebensstandards und der Grundbedürfnisse an Bedeutung. Das Arbeitslosengeld I wird grundsätzlich unabhängig von vorhandenem Vermögen oder einer geleisteten Abfindung gewährt. Dieser Regelfall kennt allerdings auch eine wichtige Ausnahme.

Wer frühzeitig aus dem Beschäftigungsverhältnis ausscheidet und deswegen eine Abfindung erhält, kann Schwierigkeiten beim Antrag auf Arbeitslosengeld bekommen. Denn das Gesetz spricht in diesem Zusammenhang vom „Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld“.

Hintergrund dieser gesetzlichen Regelung ist, dass derjenige, der wegen frühzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Entschädigungsleistung erhält, nicht auch von der Versicherungsleistung des ALG I profitieren soll. Da der Arbeitnehmer nämlich wegen der Abfindung zunächst keine Verdienstausfälle erleidet, besteht kein Anspruch auf Arbeitslosengeld I. Anderenfalls entstünde ein Doppelbezug von Arbeitslosengeld und Abfindung, die der Gesetzgeber vermeiden möchte.

Was diese Ausnahmeregelung anbelangt, drängen sich zwei Fragestellungen in den Vordergrund: Einerseits muss geklärt werden, was das Gesetz meint, wenn es von einer Entlassungsentschädigung spricht. Andererseits ist fraglich, wann von einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gesprochen werden kann.

 

a) Entlassungsentschädigung, Abfindung und sonstige Leistungen

Die Entlassungsentschädigung fungiert als Oberbegriff. Der Wortlaut des § 158 SGB III nennt Abfindungen, Entschädigungen und sonstige Leistungen, die der Arbeitnehmer wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhält. Anhand dieser Aufzählung wird deutlich, dass der Gesetzgeber jede Leistung als Entlassungsentschädigung ansieht, wenn bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die maßgeblichen Kündigungsfristen des Arbeitgebers nicht eingehalten werden.

PRAXISTIPP Für die unwiderlegliche Vermutung einer Entlassungsentschädigung ist es vollkommen unerheblich, ob es sich um einen befristeten oder unbefristeten Arbeitsvertrag handelt. Denn auch befristete Verträge sollen grundsätzlich bis zu deren vertraglich festgelegten Ende bestehen bleiben.

 

b) Vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Neben der Leistung einer Entlassungsentschädigung ist für das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld I eine weitere Voraussetzung erforderlich: die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Was sich hinter dem Gesetzeswortlaut verbirgt ist zwar auf den ersten Blick nicht ganz eindeutig, aber naheliegend. Gemeint sind Fälle, in denen der Arbeitsvertrag ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers beendet worden ist.

In der Praxis kommt es zu dieser Situation in der Regel durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages oder eines gerichtlichen Vergleichs im Rahmen einer Kündigungsschutzklage.

PRAXISTIPP § 158 SGB III unterscheidet nicht nach der Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ausschlaggebend ist alleine die Einhaltung der arbeitgeberseitigen Kündigungsfrist. Unbeachtlich ist auch, ob eine arbeitgeberseitige Kündigung rechtmäßig war, solange der Arbeitsvertrag hierdurch beendet wurde. Gleiches gilt hinsichtlich der Berechtigung der fristlosen Kündigung des Arbeitnehmers.

 

3. Sperrzeit beim Arbeitslosengeld

Wenn Arbeitnehmer ihren Arbeitsvertrag selbst kündigen oder wegen einer Pflichtverletzung gekündigt werden, kann die Agentur für Arbeit eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld verhängen. Das bedeutet zum einen, dass der Arbeitslose bis zu 12 Monate kein Arbeitslosengeld beziehen kann. Zum anderen reduziert sich dessen Höhe, denn die Sperrzeit wird auf die Bezugsdauer angerechnet.

PRAXISTIPP Wenn Sie mit dem Gedanken spielen, Ihr Arbeitsverhältnis zu kündigen, sollten Sie die Sperrzeit beim Arbeitslosengeld bedenken. Die Agentur für Arbeit nimmt eine Arbeitnehmerkündigung stets zum Anlass, die Zulässigkeit einer Sperrzeit zu prüfen. Nehmen Sie jederzeit gerne Kontakt zu uns auf, um individuelle Lösungsmöglichkeiten für Ihre Situation zu besprechen.

Die Sperrzeit tritt in der Praxis unter anderem ein bei:

  • verspäteter Arbeitssuchendmeldung
  • Abbruch einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme
  • fehlende Eigeninitiative
  • Arbeitsablehnung
  • Arbeitsaufgabe

 

4. Wichtige Gründe gegen eine Sperrzeit

Es gibt jedoch auch triftige Gründe dafür, seine Arbeitsstelle vorzeitig zu kündigen. In solchen Situationen kann die Sperrzeit entfallen, wenn der Betroffene nachweisen kann, dass ein wichtiger Grund gegeben ist. Die Sanktionswirkung der Sperrzeit soll nur solche Arbeitnehmer treffen, die sich ein pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen haben. Eine Sanktion verfehlt in solchen Situationen ihren Zweck, in denen unter Berücksichtigung der Gesamtumstände kein Verschulden des Arbeitnehmers zu erkennen ist

 

a) Neue Jobaussichten

Wer einen neuen Arbeitsplatz antritt und bereits eine feste Zusage von einem neuen Arbeitgeber in der Tasche hat, muss keine Sperrzeit befürchten. Selbst wenn der Jobwechsel wider Erwarten nicht reibungslos abläuft, darf die Agentur für Arbeit keine Sperrzeit verhängen. Denn in diesen Fällen hat der Betroffene die Arbeitslosigkeit nicht zu verschulden.

 

b) Burnout

Wer unter den Belastungen des Arbeitsalltags derart leidet, dass er sich mit Überlastung und Burnout konfrontiert sieht, muss im Falle einer Kündigung ebenfalls keine Sperrzeit in Kauf nehmen. Allerdings sollte die arbeitnehmerseitige Kündigung das letzte Mittel darstellen. Außerdem ist eine ärztliche Betreuung und die Vorlage eines Attests dringend zu empfehlen.

 

c) Eheliche Lebensgemeinschaft

Einen wichtigen Grund, das Arbeitsverhältnis frühzeitig aufzulösen, stellt auch die Begründung eines gemeinsamen Haushalts von Ehegatten dar. Wer mit seinem Ehepartner zusammenziehen möchte und hierzu seine Arbeitsstelle aufgeben muss, wird grundsätzlich nicht mit der Sperrzeit sanktioniert.

 

d) Kindeserziehung

Gleiches gilt für die Begründung einer Erziehungsgemeinschaft. Wenn sich ein Paar dazu entschließt zusammenzuziehen, um die Kindesbetreuung und Erziehung zu gewährleisten, erkennt die Agentur für Arbeit dies in der Regel als wichtigen Grund an. Denn hier steht das Wohl des Kindes im Vordergrund.

 

5. Fazit – Verkürzung der Sperrzeit

Eine Abfindung hat grundsätzlich keinen Einfluss auf den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Es gibt jedoch auch Situationen, in denen dieser Anspruch auf ALG I ruht. Arbeitnehmer sollten daher nicht voreilig kündigen. Wer die Arbeitslosigkeit selbst verschuldet hat, kann mit einer Sperrzeit sanktioniert werden. Etwas anders gilt dann, wenn ein wichtiger Grund für die frühzeitige Kündigung gegeben ist.

Mit der Unterstützung eines Rechtsanwalts im Arbeitsrecht kann ein solcher triftiger Grund gegenüber der Agentur für Arbeit nachgewiesen werden. In Ausnahmesituationen kann eine Sperrzeit von zwölf Wochen sogar auf sechs Wochen verkürzt werden. Hierzu muss die übliche Zeitspanne eine besondere Härte bedeuten. Mit anwaltlicher Hilfe können hier die richtigen Schritte in die Wege geleitet werden.

Teilen:
Kontakt

Rechtsanwältin und
Fachanwältin für Arbeits- und Familienrecht
Hülya Senol
Hohenstaufenring 72
50674 Köln
Deutschland

info@kanzlei-senol.de

T: +49 (0) 221 29 00 52-12
F: +49 (0) 221 29 00 52-11

Neueste Beiträge

Gastbeitrag zum Thema „Versetzung im Job“

Bei einer Versetzung im Job treten häufig viele Fragen auf. Hierbei treten häufig Fragen auf wie „Was ist zumutbar?“, „Darf der Arbeitgeber ohne mich Entscheidungen

Interview zum Thema „Unbezahlter Urlaub“

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht Hülya hat ein Interview zum Thema unbezahlter Urlaub gegeben. Dabei ist sie auf die typischen und immer wiederkehrenden Fragestellungen eingegangen

Rechtsanwältin Beratung, Köln, Familienrecht, Arbeitsrecht, Kündigung

Wir sind umgezogen!

Ab sofort befindet sich unsere Kanzlei am

Hohenstaufenring 72
50674 Köln