Neues von der Scheinselbständigkeit – Rückforderungsrechte des Arbeitgebers?  

Aktuell haben die Richter am Bundesarbeitsgericht (BAG) betont, dass in Fällen der Scheinselbständigkeit regelmäßig nicht davon ausgegangen werden kann, dass die für die freie Mitarbeit vereinbarte Vergütung auch für eine Beschäftigung als Arbeitnehmer verabredet worden wäre (BAG, 5 AZR 178/18). In diesem Beitrag behandeln wir das hinter diesem Ergebnis liegende Problem: Hat der Arbeitgeber womöglich einen Rückzahlungsanspruch, wenn er einem freien Mitarbeiter, der nachträglich als Scheinselbständiger zu behandeln ist, eine zu hohe Vergütung gezahlt hat?
freie mitarbeiter

Das Bundesarbeitsgericht muss sich immer wieder mit dem Thema Scheinselbständigkeit auseinandersetzen. Scheinselbständige sind Personen, die für ihren Auftraggeber auf vertraglicher Basis Arbeit leisten und dabei wie ein Arbeitnehmer weisungsgebunden tätig werden, obwohl die Vertragsparteien ausdrücklich freie Mitarbeiterschaft vereinbart haben. Da es für die rechtliche Einordnung nicht darauf ankommt, wie ein Vertragsverhältnis bezeichnet wird, sondern wie es tatsächlich gelebt wird, sind Scheinselbständige regelmäßig als Arbeitnehmer zu behandeln.

Aktuell haben die Richter am Bundesarbeitsgericht (BAG) betont, dass in Fällen der Scheinselbständigkeit regelmäßig nicht davon ausgegangen werden kann, dass die für die freie Mitarbeit vereinbarte Vergütung auch für eine Beschäftigung als Arbeitnehmer verabredet worden wäre (BAG, 5 AZR 178/18).

In diesem Beitrag behandeln wir das hinter diesem Ergebnis liegende Problem: Hat der Arbeitgeber womöglich einen Rückzahlungsanspruch, wenn er einem freien Mitarbeiter, der nachträglich als Scheinselbständiger zu behandeln ist, eine zu hohe Vergütung gezahlt hat?

 

Inhaltsverzeichnis

  1. Rückforderung der Vergütung bei Scheinselbständigen
  2. Wo zeigen sich die Statusunterschiede?
  3. Dürfen Scheinselbständige auf ihr Honorar vertrauen?
  4. Fazit

 

  1. Rückforderung der Vergütung bei Scheinselbständigen

Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass der Unternehmer bzw. Arbeitgeber einen Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Honorare geltend machen kann, wenn er einen freien Mitarbeiter beschäftigt, bei dem rückwirkend der Arbeitnehmerstatus festgestellt wird. Die Zubilligung einer solchen Ausgleichszahlung beruht auf der Überlegung, dass die im Arbeitsverhältnis geschuldete Vergütung regelmäßig geringer ist als bei Selbstständigen. Denn faustformelartig lässt sich sagen, dass der Arbeitnehmer regelmäßig nicht selbst das wirtschaftliche Risiko seines Arbeitseinsatzes trägt. Neben weiteren statusrechtlichen Vorteilen des Arbeitnehmers rechtfertigt unter anderem dieser Gesichtspunkt das geringere Gehalt im Vergleich zum Selbständigen. Letzterer nämlich ist seines eigenen Glückes Schmied.

Im Umfang der Differenz zwischen dem üblichen Arbeitnehmergehalt und dem tatsächlich vereinbarten Honorar für die freie Mitarbeit ist der Scheinselbständige ohne Rechtsgrund bereichert.

 

  1. Wo zeigen sich die Statusunterschiede?

Die Richter am BAG in Erfurt stellen zur Begründung der Pflicht zur Rückzahlung überhöhter Honorare für die freie Mitarbeit auf die folgenden Unterschiede ab:

  • Freie Mitarbeiter sind durch das Gesetz gegen den Verlust des Vergütungsanspruchs bei Arbeitsausfällen deutlich weniger geschützt als Arbeitnehmer
  • Sie haben keinen Anspruch auf bezahlten Mindesturlaub
  • Es besteht kein Anspruch auf Feiertagsvergütung
  • Eine Fortzahlung im Krankheitsfall besteht grundsätzlich nicht

Arbeitnehmer genießen statusrechtlich einige Vorzüge, insbesondere:

PRAXISTIPP → Aufgrund dieser Unterschiede muss dem Mitarbeiter regelmäßig klar sein, dass er das für ein freies Mitarbeitsverhältnis vereinbarte Honorar nicht als Arbeitsentgelt verlangen kann, falls sich das Rechtsverhältnis in Wahrheit als Arbeitsverhältnis darstellt!

 

 

  1. Dürfen Scheinselbständige auf ihr Honorar vertrauen?

Wird also rückwirkend festgestellt, dass es sich tatsächlich um ein Arbeitsverhältnis gehandelt hat, kann der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer die Rückzahlung der Differenz zwischen den gezahlten Honoraren und dem verlangen, was als Arbeitsentgelt hätte gezahlt werden müssen. Das kann für den Betroffenen also eine empfindliche finanzielle Einbuße darstellen. Daher schaut die Rechtsprechung in diesem Zusammenhang besonders genau hin:

Wer vereinbarungsgemäß als freier Mitarbeiter tätig wird, darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass seine Vergütung ihm zu Recht gewährt wird. Das gilt auch dann, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die Zusammenarbeit tatsächlich als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist. Auch dann erkennt die Rechtsprechung den Betroffenen noch als schützenswert an! Anders hingegen liegt der Fall, wenn der Mitarbeiter im Wege der Klage zu klären versucht, das Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis einzuordnen.

Wer eine gerichtliche Feststellung des Arbeitnehmerstatus beantragt, muss dann auch mit einem Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Honorare rechnen.

 

  1. Fazit

Zusammenfassend zeigt sich also, dass die Flucht ins Arbeitsverhältnis für alle Beteiligten teuer werden kann. Für den Scheinselbständigen besteht ein realistisches Risiko vom Auftraggeber zur Rückzahlung herangezogen zu werden. Der Unternehmer ist der Gefahr ausgesetzt, für den gesamten Beschäftigungszeitraum – natürlich innerhalb geltender Verjährungsgrenzen – die Sozialversicherungsbeiträge zu schulden. Egal, ob als Unternehmer oder als betroffener Scheinselbständiger – wir beraten Sie als Fachanwaltskanzlei für Arbeitsrecht in Köln gerne! Nehmen Sie Kontakt zu uns auf.

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Fachanwältin für Arbeits- und Familienrecht
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