Um einer weiteren Verbreitung des Covid-19-Virus entgegenzuwirken, haben Bund und Länder strenge Maßnahmen ergriffen. Insbesondere Gruppenveranstaltungen sind in der Regel – wenn überhaupt – nur unter strengen Auflagen möglich. Zu Menschenansammlungen kann es auch am Arbeitsplatz kommen, sodass auch Arbeitgeber aufgefordert sind, ausreichende Schutzmaßnahmen zur Verringerung der Ansteckungsgefahr am Arbeitsplatz zu ergreifen.
Während wir auf das Schutzkonzept für die Belegschaft schon genauer eingegangen sind, hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg nun eine weitere Facette des Arbeitsrechts in Zeiten von Corona erschlossen: Wenn notwendige Schutzmaßnahmen ergriffen werden können, darf der Betriebsrat je nach Einzelfall auch Präsenssitzungen abhalten (LAG, Beschl. v. 24.08.2020, Az. 12 TaBVGa 1015/20)!
Inhaltsverzeichnis
- Betriebsratsarbeit in Zeiten von Corona
- Präsenzsitzungen des Betriebsrats? Die Arbeitsrichter entscheiden!
- Geheime Wahlen im Betriebsrat
- Generelle Erlaubnis von Präsenzsitzungen des Betriebsrates?
- Fazit
Der Betriebsrat fungiert als Interessenvertretung der Arbeitnehmer. Gerade in den aktuellen Zeiten sind am Arbeitsplatz viele Arbeitnehmerinteressen berührt. Ordentliche Betriebsratsarbeit ist daher besonders wichtig. Unter anderem diese Erwägungen haben den Gesetzgeber schon im April 2020 dazu veranlasst, eine gesetzliche Regelung zur Beschlussfassung von Betriebsräten per Video- oder Telefonkonferenz (§ 129 BetrVG) zu schaffen. Nachdem seitdem nur wenige Monate vergangen sind, wird jedoch klar, dass die betriebliche Praxis noch nicht vollkommen in der virtuellen Welt angekommen ist. Das Bedürfnis nach Präsensveranstaltungen besteht weiterhin!
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (LAG) musste nun im Eilrechtsschutzverfahren darüber entscheiden, ob eine Präsenzveranstaltung des Betriebsrates zur Durchführung von Wahlen trotz eines entgegenstehenden Verbots des Arbeitgebers zulässig ist.
Der Arbeitgeber – ein Unternehmen, das Rehabilitationskliniken betreibt – hatte gegenüber dem Gesamtbetriebsrat Präsenzsitzungen verboten und stattdessen auf die Möglichkeit von Video- bzw. Telefonkonferenzen hingewiesen. Hintergrund dieser Entscheidung war, dass der Arbeitgeber in dem geplanten überregionalen Zusammentreffen der Betriebsräte ein besonders hohes Ansteckungsrisiko erblickte. Der Betriebsrat argumentierte hingegen, dass die am Veranstaltungsort geltenden Maßgaben zum Infektionsschutz eingehalten werden könnten. Dementsprechend stünden der Präsenzveranstaltung keine Gesichtspunkte des Infektionsschutzes entgegen!
Das Wichtigste vorweg: Das LAG Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass der Arbeitgeber die geplante Präsenzsitzung hinnehmen müsse. Denn sowohl die Entscheidung über die Einberufung der Sitzung wie auch die Wahl des Sitzungsortes obliege dem Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats. Besonders interessant betonen die Richter, dass der Gesamtbetriebsrat für die konkret anstehende Sitzung nicht auf eine Video- bzw. Telefonkonferenz verwiesen werden könne. Denn die Durchführung einer geheimen Wahl sei in einer Konferenz per Video oder Telefon nicht möglich. Letztlich bestand nach Ansicht des Gerichtes auch kein Anlass, an der Einhaltung der für die Veranstaltung geltenden Kontakt-, Hygiene- und Verhaltensregelungen zu zweifeln.
Das Eilrechtsschutzverfahren hat eine weitere, für die Praxis wichtige Erkenntnis gebracht: Der Antrag des Gesamtbetriebsrats, mit dem er die generelle Zulässigkeit von Präsenzsitzungen festgestellt haben wollte, wurde vom Gericht abgelehnt. Die Richter haben insoweit offengelassen, was für künftige Sitzungen gilt. Diese Frage nämlich könne nicht ungeachtet des jeweiligen Infektionsgeschehens beurteilt werden. Erforderlich sei stets eine am Einzelfall orientierte Abwägung.
An dieser Stelle wird deutlich, dass der Grundsatz der geheimen Wahl von herausgehobener Bedeutung ist. Seine Verletzung kann zur Anfechtbarkeit und Unwirksamkeit der gesamten Betriebsratswahl führen.
Eine geheime Wahl verlangt, dass
- nicht nachvollziehbar sein darf, wie der Wähler gewählt hat,
- bei Mehrheitswahlen nicht nachvollziehbar sein darf, welchen Kandidaten der Wähler seine Stimme gegeben hat,
- bei der Verhältniswahl nicht nachvollziehbar sein darf, für welche Liste der Wähler gestimmt hat.
Schon bisher war es so, dass zur Geheimhaltung der Wahl im Wahlraum geeignete Wahlbedingungen geschaffen werden mussten, um dem Wähler die unbeobachtete Abgabe seiner Stimme zu ermöglichen. Die aktuelle Entscheidung lehrt uns, dass zur Wahrung der geheimen Wahl auch eine Video- oder Telefonkonferenz ausscheiden muss!
Bei Fragen zum Thema Betriebsratstätigkeit und Arbeitsrecht in Zeiten von Corona nehmen Sie jederzeit gerne Kontakt zu uns auf!