Verzicht auf den Versorgungsausgleich – Für wen lohnt es sich?

Ist die Ehe bereits gescheitert, möchten viele die Scheidung so schnell wie möglich hinter sich bringen. In solchen Fällen kann der Verzicht auf den Versorgungsausgleich das Scheidungsverfahren um einiges beschleunigen. In diesem Beitrag erfahren Sie, wann ein solcher Verzicht auch wirtschaftlich sinnvoll ist!
verzicht auf den versorgungsausgleich

Egal ob vor der Hochzeit, während der Ehe oder im Scheidungsverfahren: Ehegatten stehen regelmäßig vor der Entscheidung, ob sie auf den Versorgungsausgleich verzichten sollten oder nicht.

Ist die Ehe bereits gescheitert, möchten viele die Scheidung so schnell wie möglich hinter sich bringen. In solchen Fällen kann der Verzicht auf den Versorgungsausgleich das Scheidungsverfahren um einiges beschleunigen. Andere wiederum halten den Versorgungsausgleich für unangemessen, weil er nicht den wirtschaftlichen Standards der ehelichen Lebensgemeinschaft entspricht. Letzteres kann etwa bei solchen Paaren der Fall sein, bei denen ein Ehegatte selbständiger Unternehmer ist.

Die Gründe für einen Verzicht auf den Versorgungsausgleich sind also vielfältig. Wie er in der Praxis abläuft und wann er tatsächlich sinnvoll sein kann, erfahren Sie in diesem Beitrag!

 

Inhaltsverzeichnis

  1. Wie funktioniert der Versorgungsausgleich?
  2. Auf den Versorgungsausgleich verzichten – Checkliste
  3. Wann ist der Verzicht auf den Versorgungsausgleich rechtswidrig?
  4. Wann macht ein Verzicht auf den Versorgungsausgleich überhaupt Sinn?
  5. Wie kann ich auf den Versorgungsausgleich verzichten?

 

  1. Wie funktioniert der Versorgungsausgleich?

Der Versorgungsausgleich beruht auf dem Gedanken des sog. Halbteilungsgrundsatzes. Er ist also in seiner Funktion ein Stück weit mit dem Zugewinnausgleich vergleichbar. Die während der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaften werden für jeden Ehegatten ermittelt. Juristen sprechen in diesem Zusammenhang von den sog. Ehezeitanteilen. Derjenige Ehegatte, der mehr an Versorgungsanwartschaften erworben hat, ist diesbezüglich ausgleichspflichtig, der andere insoweit ausgleichsberechtigt. Das System funktioniert so, dass die die Hälfte des Überschusses durch Übertragung oder Begründung von Anwartschaften (regelmäßig) in der gesetzlichen Rentenversicherung an den anderen Ehegatten übertragen werden. Zuständig hierfür ist das Familiengericht.

 

  1. Auf den Versorgungsausgleich verzichten – Checkliste

Wer auf den Versorgungsausgleich verzichten möchte, sollte vorab folgende Fragen klären:

  • Wird bei meiner Scheidung überhaupt ein Versorgungsausgleich durchgeführt?
  • Ist ein Verzicht bei meiner Scheidung rechtlich zulässig?
  • Ist ein Verzicht auf den Versorgungsausgleich für mich vorteilhaft?

Hierzu vorab einige Eckdaten:

Hat die Ehe höchstens drei Jahre gedauert, wird ohnehin schon kein Versorgungsausgleich durchgeführt, es sei denn einer der Ehegatten besteht darauf.

Für den dreijährigen Zeitraum ist der Tag der Heirat bis zur Einreichung des Scheidungsantrages maßgeblich!

 

PRAXISBEISPIEL → Die Beteiligten haben 01.10.2017 die Ehe geschlossen. Die Fachanwältin für Familienrecht hat am 15.09.2020 den Scheidungsantrag für Sie eingereicht. Ein Versorgungsausgleich muss in diesem Fall nicht zwingend durchgeführt werden, denn die Ehe hat weniger als drei Jahre gedauert.

 

Übrigens: Es kommt insoweit weder auf die Zeit des Zusammenlebens noch auf den Trennungszeitpunkt an! Selbst wenn die Eheleute weniger als drei Jahre zusammengelebt haben, die Ehe aber – rein formal – länger bestanden hat, ist ein Versorgungsausgleich vorgesehen!

 

  1. Wann ist der Verzicht auf den Versorgungsausgleich rechtswidrig?

In Ausnahmefällen kann der Verzicht auf den Versorgungsausgleich auch sittenwidrig sein! Denn das Gericht muss grundsätzlich zunächst einmal prüfen, ob einer der Eheleute durch den Verzicht in unzumutbarer Weise benachteiligt würde.

Die Rechtsprechung geht jedoch davon aus, dass die Wirksamkeit bzw. die Sittenwidrigkeit eines Verzichts auf den Versorgungsausgleich nur dann kritisch zu prüfen ist, wenn einer der Ehegatten die Unwirksamkeit rügt oder wenn es tatsächliche Anhaltspunkte für eine unbillige Benachteiligung gibt (OLG Brandenburg, FamRZ 2012, 1729; OLG Rostock FamRZ 2015,410).

Die Sittenwidrigkeit liegt insbesondere in solchen Konstellationen nahe, in denen die Ehe über einen langen Zeitraum bestanden hat und einer der Ehepartner zu Gunsten der Kindeserziehung auf eine Erwerbstätigkeit verzichtet hat. Für diesen Ehegatten nämlich würde ein Verzicht auf den Versorgungsausgleich erhebliche Nachteile mit sich bringen.

Der Ausschluss des Versorgungsausgleiches hält einer gerichtlichen Inhaltskontrolle jedoch regelmäßig stand, wenn sich der ausgleichspflichtige Ehegatte in einem Ehevertrag dazu verpflichtet, für den ausgleichsberechtigten Ehegatten während der Ehe beispielsweise Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu leisten. Dabei handelt es sich jedoch nur um eine von vielen denkbaren Gestaltungsmöglichkeiten. Sprechen Sie uns hierzu gerne an!

 

  1. Wann macht ein Verzicht auf den Versorgungsausgleich überhaupt Sinn?

Wegen des oben angesprochenen Halbteilungsgrundsatzes profitiert beim Versorgungsausgleich in aller Regel derjenige, der während der Ehe das geringere Einkommen hatte. Für den anderen sind die Einbußen im Versorgungsausgleich grundsätzlich dann nicht weiter dramatisch, wenn es sich ohnehin nur um einen geringen Betrag handelt oder wenn die Eheleute einen anderweitigen Ausgleich vereinbart haben. Zu denken ist etwa an eine Verrechnung im Zugewinnausgleich.

Ein geringer Betrag ist im Versorgungsausgleich meist dann zu erwarten, wenn die Ehe nicht lange bestanden hat oder wenn beide Eheleute über die Ehezeit hinweg annähernd gleich viel verdient haben. Im umgekehrten Fall, also bei einer langen Ehe oder merklichen Gehaltsunterschieden, kann es beim Versorgungsausgleich schnell um einiges an Geld gehen! In solchen Situationen sollte der Verzicht niemals vorschnell erklärt werden. Vielmehr empfiehlt es sich, die Rentenberechnungen abzuwarten, die während des Scheidungsverfahrens regelmäßig eingeholt werden.

 

  1. Wie kann ich auf den Versorgungsausgleich verzichten?

Wegen der weitreichenden Konsequenzen eines Verzichts auf den Versorgungsausgleich hat der Gesetzgeber einige Formvorschriften aufgestellt, die eingehalten werden müssen. Denkbar sind prinzipiell zwei Varianten des Verzichts auf den Versorgungsausgleich:

  • Notarvertrag
  • Verzicht im Scheidungstermin

Vertragliche Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich bedürfen der notariellen Beurkundung. Wer also ohnehin einen Ehevertrag schließen möchte, kann bei dieser Gelegenheit auch den Verzicht auf den Versorgungsausgleich erklären. Vielen Paaren kommt ein solcher Weg nicht nur umständlich und teuer vor. Wer heiratet, denkt oftmals auch noch nicht an die Konsequenzen einer Scheidung. Häufig wird der Verzicht auf den Versorgungsausgleich daher erst im Scheidungstermin erklärt. Das läuft dann so, dass die Beteiligten zu Protokoll erklären, auf den Versorgungsausgleich verzichten zu wollen.

PRAXISTIPP → Wichtig ist, dass ein solcher Verzicht im Scheidungstermin nur dann möglich ist, wenn beide Seiten anwaltlich vertreten sind. Wer im Termin sogleich Nägel mit Köpfen machen möchte, kann auf die einmonatige Rechtsmittelfrist nach Zustellung des Scheidungsbeschluss verzichten. Damit wird die Scheidung noch im Termin rechtskräftig!

Wenn auch Sie sich scheiden lassen wollen, beraten wir Sie zu Fragestellungen zum Versorgungsausgleich gerne! Nehmen Sie jederzeit Kontakt zu uns auf.

 

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Kontakt

Rechtsanwältin und
Fachanwältin für Arbeits- und Familienrecht
Hülya Senol
Hohenstaufenring 72
50674 Köln
Deutschland

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T: +49 (0) 221 29 00 52-12
F: +49 (0) 221 29 00 52-11

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