Unterhaltsrecht – Auch Topverdiener müssen Auskunft über ihr Einkommen erteilen

In einem aktuellen Fall hatte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe darüber zu entscheiden, ob es dieser Auskunftspflicht genügt, wenn der unterhaltspflichtige Vater einräumt, „unbegrenzt leistungsfähig“ zu sein. Wie die Karlsruher Richter entschieden haben und welche Konsequenzen sich hieraus für das Unterhaltsrecht ableiten lassen, erfahren Sie in diesem Beitrag.
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Verwandte in gerader Linie sind sich einander kraft Gesetzes zum Unterhalt verpflichtet. Diese Unterhaltspflicht betrifft insbesondere die Eltern im Verhältnis zu ihrem Kind. Bevor der Unterhaltsanspruch in der Praxis geltend gemacht werden kann, bedarf es häufig in einem ersten Schritt einer Auskunft über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Denn hiervon hängt die konkrete Bezifferung des Unterhaltsanspruchs ab.

In einem aktuellen Fall hatte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe darüber zu entscheiden, ob es dieser Auskunftspflicht genügt, wenn der unterhaltspflichtige Vater einräumt, „unbegrenzt leistungsfähig“ zu sein. Wie die Karlsruher Richter entschieden haben und welche Konsequenzen sich hieraus für das Unterhaltsrecht ableiten lassen, erfahren Sie in diesem Beitrag.

 

Inhaltsverzeichnis

  1. Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs und Auskunftspflichten
  2. „Unbegrenzt leistungsfähig“ im Sinne des Unterhaltsrechts
  3. Offenlegung der Vermögensverhältnisse im Unterhaltsstreit
  4. Fazit

 

  1. Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs und Auskunftspflichten

Bei Streit über die Gewährung von Unterhalt kann das Familiengericht anordnen, dass der Antragsteller und der Antragsgegner Auskunft über ihre Einkünfte, ihr Vermögen und ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erteilen müssen. Soweit dies für die Unterhaltsberechnung erforderlich ist, haben die Beteiligten zudem die entsprechenden Nachweise und Belege vorzulegen.

Voraussetzung des Auskunftsanspruchs des Unterhaltsberechtigten ist zunächst, dass ihm dem Grunde nach Unterhalt zu gewähren ist. Denn nur wenn ein Unterhaltsanspruch nach der Rechtslage besteht, ist es auch gerechtfertigt, dass Auskünfte über Einkommens- und Vermögensverhältnisse eingeholt werden. Weiterhin muss zu erwarten sein, dass die begehrte Auskunft Einfluss auf den Unterhalt haben wird.

PRAXISTIPP →  Im Einzelfall kann der Unterhaltspflichtige also gerichtlich dazu aufgefordert werden, eine systematische Aufstellung der erforderlichen Angaben beizubringen, die dem Berechtigten ohne großen Arbeitsaufwand die Berechnung seiner Unterhaltsansprüche ermöglichen.

 

  1. „Unbegrenzt leistungsfähig“ im Sinne des Unterhaltsrechts

Der BGH hatte sich nun mit einem Fall zu befassen, in dem der unterhaltspflichtige Vater erklärte „unbegrenzt leistungsfähig“ zu sein. Diese Angaben genügen dem Auskunftsanspruch des unterhaltsberechtigten Kindes jedoch nicht, entschieden die Richter (Beschl. v. 16.9.2020, Az. XII ZB 499/19)!

Im Mittelpunkt des Rechtsstreits standen die Eltern eines neunjährigen Mädchens, die seit mehreren Jahren geschieden sind. Die gemeinsame Tochter lebt bei der Mutter. Der Vater ist Geschäftsführer einiger Gesellschaften, darunter eines Verlages. Nach der Scheidung trafen die Eltern eine Vereinbarung, wonach der Kindesunterhalt zunächst bis 2019 geregelt war. Nach Ablauf dieser Frist sollte der Unterhaltsberechnung die Düsseldorfer Tabelle zu Grunde gelegt werden. Der unterhaltspflichtige Vater sollte 160 Prozent des gültigen Mindestunterhalts der jeweiligen Altersgruppe leisten. Im Hinblick auf diese Zahlungspflicht hatte sich der Vater als „unbegrenzt leistungsfähig“ erklärt. Zwischenzeitlich sind die Beteiligten jedoch darüber in Streit geraten, ob der Vater trotz dieser Erklärung nicht auch sein genaues Einkommen offenlegen muss.

 

  1. Offenlegung der Vermögensverhältnisse im Unterhaltsstreit

Das Oberlandesgericht München und der Bundesgerichtshof waren sich weitestgehend einig: Eine Offenlegung der Einkommensverhältnisse muss auch bei Spitzenverdienern mit ausdrücklich „unbegrenzter Leistungsfähigkeit“ erfolgen.

Denn eine Offenlegung kann – so schon das Oberlandesgericht München – nur ausbleiben, wenn die Auskunft keinerlei Bedeutung für den Unterhaltsanspruch hat (Entsch. v. 23.04.2019, Az. 533 F 11011/18). Die insoweit entscheidenden Leitlinien der Düsseldorfer Tabelle sehen ab einem Nettomonatseinkommen von mehr als 5.500 Euro vor, dass die konkrete Unterhaltshöhe unter Würdigung des Einzelfalles bestimmt werden muss. Vor diesem Hintergrund ist es nicht gänzlich irrelevant, ob das monatliche Nettoeinkommen beispielsweise 6.000 Euro oder 30.000 Euro beträgt.

Dieser Argumentation schloss sich auch der erkennende Senat beim Bundesgerichtshof an und ergänzte im Wesentlichen: Alleine in absoluten Ausnahmefällen besteht kein Auskunftsanspruch! Was die Berechnung der Unterhaltshöhe über den in der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesenen Höchstbetrages hinaus anbelangt, hält der Bundesgerichtshof nunmehr eine Fortschreibung der Tabelle für „nicht ausgeschlossen“. Denn die Kinder nehmen – so die Richter – ohne Weiteres am Lebensstandard der Eltern teil. Es ist daher sicherzustellen, dass dieser Aspekt unterhaltsrechtlich auch bei höheren Einkommen der Eltern berücksichtigt wird. Dies kann durch die Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle geschehen.

 

  1. Fazit

 

Eine Einkommensauskunft bleibt also auch dann erforderlich, wenn das Einkommen des Unterhaltspflichtigen den Höchstbetrag der Düsseldorfer Tabelle übersteigt. Es genügt also nicht, dass Spitzenverdiener erklären „unbegrenzt leistungsfähig“ zu sein.

Die Auskunft erweist sich noch aus einem weiteren Gesichtspunkt als erforderlich. Wenn nämlich ein neben dem Tabellenbedarf bestehender Mehrbedarf geltend gemacht wird, muss die Haftungsquoten der Eltern bestimmt werden. Denn die Eltern müssen hierfür anteilig aufkommen. Bei Fragen und Problemen zum Thema Unterhaltsrecht, nehmen Sie jederzeit gerne Kontakt zu uns auf!

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